Wirkungshebel deutscher Klimapolitik – und was die Zivilgesellschaft tun kann

Die deutsche Klimapolitik soll Deutschland klimaneutral machen. Aber sie hat ein viel größeres Potenzial, als die Dekarbonisierung nur innerhalb der Landesgrenzen zu denken: Wir sind davon überzeugt, dass die Bundesregierung die Klimapolitik danach ausrichten sollte, wie sie den größtmöglichen Beitrag zur globalen Dekarbonisierung leisten kann. Diese Perspektive vernachlässigen viele klimapolitische und zivilgesellschaftliche Akteure bisher.

In unserem Rechercheprojekt zur Priorisierung von über 100 Klima-Policy-Hebeln haben wir untersucht, welche Wirkungshebel der deutschen Klimapolitik am meisten zur globalen Dekarbonisierung beitragen können und wie zivilgesellschaftliche Organisationen die Umsetzung dieser Policy-Hebel wahrscheinlicher machen können. Hier möchten wir Ihnen beispielhaft einen Einblick in die Ergebnisse unserer Klima-Policy-Priorisierung geben. Wenn Sie an den gesamten Ergebnissen interessiert seid, melden Sie sich gerne bei uns (siehe unten).

Das Narrativ zur Subventionierung fossiler Energieträger drehen

Shirokazan CC BY 2.0

Fossile Subventionen in Deutschland abzuschaffen, ist einer der größten Wirkungshebel der deutschen Klimapolitik. Allein die 10 klimaschädlichsten nationalen Subventionen abzubauen, bringt eine Einsparung von fast 100 Mio. t CO₂e pro Jahr bzw. mehr als einem Zehntel der Gesamtemissionen Deutschlands.

Weltweit fossile Subventionen abzubauen, kann die jährlichen Emissionen um 6-8 % bzw. ca. 3-4 GT CO₂e pro Jahr senken. Die Einsparungen können die Staaten in die Transformation zur Klimaneutralität investieren und dadurch weitere Emissionen reduzieren. Wenn Deutschland international die Initiative zur Umsetzung des Subventionsabbaus ergreift, kann es eine enorme Hebelwirkung erreichen.

In unseren Interviews zu diesem Policy-Hebel betonen wissenschaftliche Expert*innen, dass Deutschlands Untätigkeit in diesem Bereich bisher eine negative Vorbildwirkung hat. Das kann andere Länder dazu bringen, sich ähnlich zu verhalten und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern weiter zu verlangsamen.

Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht die Abschaffung fossiler Subventionen vor. In der Energiekrise wird fossile Energie aber wieder stärker subventioniert. Die Subventionen verfehlen aber häufig das Ziel, einkommensschwache Haushalte zu entlasten und langfristig für Energiesicherheit zu sorgen. In unseren Interviews sagen Expert*innen, dass wir das Narrativ der öffentlichen Debatte grundlegend ändern müssen. Ansatzpunkte dafür sind die aktuelle Verschwendung von Steuergeldern durch fossile Subventionen und progressive soziale Wirkungen des Abbaus einzelner Subventionen. Hilfreiche Analysen dazu liefern das Forum Ökologisch-Soziale Markwirtschaft (FÖS) und Greenpeace in dieser und dieser Studie.

Bilaterale Klimapartnerschaften sind eine Chance für enorme globale Emissionsminderungen

DFID CC BY-NC-ND 2.0

Klimapartnerschaften Deutschlands mit Ländern des Globalen Südens gehören zu den wirkungsvollsten Instrumenten der deutschen Klimapolitik. Dadurch kann Deutschland zu jährlichen globalen Emissionsminderungen beitragen, die deutlich über den jährlichen Emissionen Deutschlands liegen. 

In unseren Interviews heben wissenschaftliche Expert*innen mehrere wirkungsvolle Elemente hervor: Die Abkommen können Technologien und finanzielle Mittel für erneuerbare Energien verfügbar machen, die Verpflichtung zur Nicht-Ausbeutung fossiler Ressourcen vereinbaren und Export-Möglichkeiten für erneuerbar erzeugten Wasserstoff schaffen. So können die Klimapartnerschaften Deutschlands den Ausbau erneuerbarer Energien in den Partnerländern massiv unterstützen und zur Dekarbonisierung ganzer nationaler Energiesysteme beitragen.

Die Expert*innen sprechen Deutschland mit seinen bestehenden und geplanten Klimapartnerschaften eine führende Rolle zu. Die Bundesregierung schließt aktuell aber nicht aus, in Klimapartnerschaften auch fossile Projekte zu unterstützen und es ist nicht sicher, dass die Partnerschaften auch mit genug Geld ausgestattet werden, um ihre Ziele zu erreichen. Klimapartnerschaften haben ein enormes Potenzial für globale Emissionsminderungen und bergen gleichzeitig das Risiko, koloniale Machtverhältnisse zu reproduzieren.

Zivilgesellschaftliche Akteure können sich dafür einsetzen, dass die Abkommen tatsächlich Emissionen reduzieren, die Klimafinanzierung stärken, keine fossilen Energien fördern und koloniale Strukturen abbauen.

Zivilgesellschaftlichen Rückhalt für einen effektiven und sozial gerechten EU-Emissionshandel stärken

Markus Tacker CC BY-ND 2.0

Der Europäischen Emissionshandels (EU ETS) ist laut Wissenschaftler*innen das Leitinstrument für die deutsche und europäische Klimaneutralität. Die wirkungsvolle und sozialgerechte Weiterentwicklung des Emissionshandels, wie zum Beispiel durch höhere, aber sozial abgefederte CO₂-Preise im Autoverkehr, ist einer der größten Wirkungshebel der deutschen Klimapolitik.

Wenn die Bundesregierung sich dafür einsetzt, kann sie zu Emissionsminderungen beitragen, die deutlich über den jährlichen Emissionen Deutschlands liegen. Entscheidend ist es, die Menge der Emissionszertifikate in den Handelssystemen für alle Sektoren auf ein Maß zu begrenzen, das mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel ist. International kann die EU dafür werben, dass auch andere Länder eine CO₂-Bepreisung einführen.

Die EU hat den bestehenden ETS für den Energie- und Industriesektor gerade reformiert und einen ETS2 für den Gebäude- und Verkehrsbereich eingeführt. Daher ist das nächste Möglichkeitsfenster für eine Weiterentwicklung wohl in vier bis fünf Jahren. Expert*innen, die wir interviewt haben, erwarten in den nächsten Jahren Widerstand von EU-Mitgliedsländern wie auch von Verbraucher*innen gegen die durch das Instrument höheren Energiepreise, vor allem im Verkehrs- und Gebäudesektor. Deswegen ist es wichtig, dass zivilgesellschaftliche Akteure bis zur nächsten Reform um Unterstützung für einen effektiven Emissionshandel werben und sich für eine sozialgerechte Ausgestaltung einsetzen.

Warum eine Klima-Policy-Priorisierung?

Viele Menschen möchten den Klimawandel begrenzen und die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch abwenden. Doch wir alle haben nur begrenzte zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen, die wir dafür einsetzen können. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns fragen, wie wir am effektivsten zum Klimaschutz und zur Minderung globaler Treibhausgas-Emissionen beitragen können. Noch effektiver als den eigenen Fußabdruck zu minimieren ist es, sich für klimapolitische Veränderungen einzusetzen.

Deswegen haben wir uns in unserem Rechercheprojekt die Frage gestellt, welche Wirkungshebel der deutschen Klimapolitik den größten Beitrag zur Minderung und Vermeidung globaler Treibhausgas-Emissionen (CO₂-Äquivalente) leisten würden. Unter einem Policy-Hebel verstehen wir ein Bündel politischer Maßnahmen, die zusammengenommen eine größere Hebelwirkung, also ein größeres Potenzial zur Emissionsminderung, entfalten können. In diesem Projekt haben wir das Wirkungspotenzial von über 100 Klima-Policy-Hebeln bewertet, über 150 wissenschaftliche Quellen ausgewertet, über 30 Expert*innen aus Wissenschaft und Politik interviewt und mehrere Bewertungsworkshops durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Rechercheprojekts bilden eine Grundlage für die Ausrichtung unserer Angebote. 

Kontaktieren Sie uns gerne unter info@futuremattersproject.org, um mehr unsere Priorisierung von Klima-Policy-Hebeln zu erfahren oder wenn Ihre Organisation sich für diese Policy-Hebel einsetzt und an unseren Angeboten interessiert ist.